Wissenschaftlicher Standort der Betriebswirtschaftslehre

>>Dass die Betriebswirtschaftslehre eine selbständige wirtschaftswissenschaftliche Disziplin ist, wird inzwischen von all jenen Fachvertretern bestritten, die in der Betriebswirtschaftslehre eine sozialwissenschaftliche Teildisziplin sehen.

In der Ära Gutenberg, also etwa vom Beginn der fünfziger bis zum Ende der sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, gab es bezüglich der wissenschaftlichen Standortbeschreibung der deutschen Betriebswirtschaftslehre einen Grundkonsens: Das Theoriegebäude der Betriebswirtschaftslehre stand auf einem festgefügten wirtschaftstheoretischen Fundament, wie es die neoklassische Volkswirtschaftslehre mit dem Modell des Homo oeconomicus entwickelt hatte. Der Homo oeconomicus, eine Kunstfigur, die streng rational handelt und die dabei ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedacht ist, beherrschte die Szene der betriebswirtschaftlichen Modelltheorie.

Die Spaltung der Betriebswirtschaftslehre in eine

  • wirtschaftstheoretisch fundierte Disziplin einerseits und eine
  • verhaltenswissenschaftlich orientierte Fachinterpretation andererseits

vollzog sich um das Jahr 1970 und entzündete sich an den Verhaltensannahmen, die für das Handeln der Wirtschaftssubjekte maßgeblich sind. Edmund Heinen wurde zum Avantgardisten der verhaltenswissenschaftlichen Öffnung des Faches. Mit seiner entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre „entlässt [er] … den ,homo oeconomicus‘ der klassischen Mikroökonomie in das Reich der Fabel.<< [Wöhe; Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre; 27. Auflage 2020]